Sultan und Kotzbrocken in einer Welt ohne Kissen
Am Samstag, den 6. September um 15.30 Uhr war es soweit: Premiere meines neuen Abenteuers Sultan und Kotzbrocken in einer Welt ohne Kissen in der Buchhandlung Baudach in Köln.
Der erste Teil der Geschichte wurde u.a. im Theater Halle/Saale inszeniert! Ich habe ein Interview gegeben dazu - denn so mancher hat sich gefragt, ob das Wort Kotzbrocken nicht ein zu böses Schimpfwort in einem Kinderbuch ist. Hier zu diesem sehr interessanten Thema meine Antworten.
Die Fragen stellte Melanie Peter (Theater Halle)
Sie leben in Köln. Was hat Sie dazu inspiriert, ein Kinderbuch über einen Sultan und seinen Diener zu schreiben - eine Geschichte, die im Orient spielt?
Die Geschichte spielt nicht wirklich im Orient, allein die Optik und gewisse Eigenheiten habe ich mir aus diesem Kulturkreis entlehnt. Mein Sultan ist schlicht das Synonym für einen Herrscher, der alles bestimmen darf. Sie können auch König oder Kanzler nehmen, egal. Ich brauchte einen Herrscher, der ohne große Schwierigkeiten mal eben ungefähr hundert Frauen hat. Drum ein Sultan, klingt ja auch so schön, und die Illustratorin hat ihre Freude. Ich schreibe in Wirklichkeit über ein Kind, das in Person seiner „Versorger“ am liebsten hundert dienende Frauen hätte, die es von vorn und hinten bedienen.
Wieso heißt der Diener "Kotzbrocken"?
Es war der Sultan persönlich, der ihm diesen Namen verpasst hat. Ein neuer Diener sollte die Kranseilwinde des erhabenen Sultans bedienen, ihn damit von einem Kissenberg hieven. Aber der neue Diener war zu doof dazu und hat ihn fallen lassen. Daraufhin brüllte der Sultan stinksauer: „Du Kotzbrocken!“ Weil er oft gefallen ist, hat er das Schimpfwort so oft gerufen, das daraus der Rufname wurde.
Die Bezeichnung "Dappes" ist in Hessen gebräuchlich, was bedeutet sie?
Ein Dappes ist jemand, der nicht böse ist, aber sehr ungeschickt und etwas blöd. Ich habe aus dem Kinderbuch „Sultan und Kotzbrocken“ schon in beinahe jeder Gegend unseres Landes vorgelesen, und herausgefunden, das jede Gegend ein anderes Wort dafür hat: Doofkopp, Dummi, Depp, Dämel, Dussel, etc. Meistens fängt das Wort mit D an. Wie nennt man so jemanden in Halle?
Welche Bedeutung haben Schimpfwörter?
Wer sie anwendet, möchte damit beleidigen und verletzen. Interessant ist, dass viele Schimpfworte zweierlei Bedeutung haben. Sie wollen in der einen Bedeutung beschimpfen, und zugleich beschreiben einfach nur, was ist. SCHWEIN ist ein Tier, das wir gebraten gern verspeisen – und kann ein böses Schimpfwort sein. Liebkosend angewandt, klingt es wunderbar, wenn ich mein Baby nach einem Spinatessen „Schweinchen“ nenne.
Kotzbrocken klingt nach bäh, die zwei O im Wort lassen sich gut rufen, die Nennung dieses Wortes amüsiert kleinere Kinder – man darf so was nicht sagen, natürlich. Wir wissen das alle. Und doch hör ich es so gern, das verbotene BÄH! Es ist Teil der Komik.
Das meinen Sie, wenn Sie sagen: es gibt liebevolle Schimpfwörter und böse Komplimente?
Der Ton macht die Musik. Unser Sultan wird im Laufe der Geschichte seinen Diener Kotzbrocken sehr liebgewinnen und sagen: „Du mein lieber guter Kotzbrocken!“ So wird aus dem Schimpfwort ein Kompliment. Wohingegen jedes noch so liebe Wort gefährlich klingt, wenn wir z.B. unseren Ehemann stinkwütend rufen: „Schatz!“
Was ist Ihnen am Umgang mit Sprache wichtig?
Zu dieser Frage ließe sich ein Buch schreiben! Sprache ist alles, ist Kommunikation. Schafft Beziehungen, fördert Frieden. Wer spricht, schießt nicht.
Umgekehrt: Wer auf sprachliche Förderung verzichtet, zieht Barbaren heran.
Was können Eltern tun, wenn Ihr Kind aus der Kita oder aus der Schule ein Wort mit nach Hause bringt, was sie selbst nicht einmal in den Mund nehmen würden?
Nehmen wir erst mal das Gegenteil an: Ihr Kind bringt ein gutes Wort mit nach Hause. WAHLRECHT. Dann rate ich, dass Sie miteinander sprechen, was das bedeutet. Nun wenden Sie das Wort an, gehen Sie mit ihren Kindern in die Wahlkabine und zeigen sie, was Wahlrecht ist. Vorbildlich. Mit einem bösen Wort verfahren Sie ähnlich: Reden, erklären, und nicht anwenden, weil es ekelhaft ist. Übrigens: Existieren schreckliche Worte nur außerhalb der Familien?! Das wäre mir neu.
Sultan und Kotzbrocken sind zwei Männer – wie kommt das Buch bei Mädchen an?
Es muss ja auch mal was für Jungs geben! Ich freue mich so sehr, dass die sich amüsieren, Jungen sind nämlich viel schwerer an ein Buch zu kriegen als Mädchen. Ich habe das Buch seinerzeit für meine eigenen Jungs geschrieben.
Welche Geschichten brauchen Kinder Ihrer Meinung nach, was möchten Sie Kindern gern erzählen?
Geschichten, die Mut machen. Die Lust machen auf das Leben.
Macht es für Sie in der Arbeit einen Unterschied, für welches Publikum Sie schreiben?
Für Kinder zu schreiben ist schwerer.
Ein Buch von Ihnen ist bereits verfilmt worden, ein weiteres wird demnächst verfilmt. Wie ist es für Sie, eine Geschichte, die ihrer Fantasie entsprungen ist, auf der Leinwand zu sehen? Cool!
Sultan und Kotzbrocken wurde schon an anderen Theatern gespielt. Haben Sie die Vorstellungen gesehen?
Ja, die in Dresden, Münster, Ludwigshafen, in der Schweiz, leider, leider nicht mehr.
Ach – kurz zurück zum „Kotzbrocken“: Es gibt eine iranische Fassung, in Teheran haben wir damit 2010 einen Theaterpreis gewonnen. Die iranische Zensurbehörde hat nicht gestattet, dass der Sultan auf der Bühne pupst, was er im Buch macht. (Ich habs gern mit allen Formen des BÄH). Gegen das Schimpfwort „Kotzbrocken“ hatten sie nichts einzuwenden.
Sie sagen von sich, Sie sind eine glückliche Frau. Was ist Glück für Sie?
Ich habe durchaus einige Sorgen, aber die wollen halt auch gelebt werden. Und lebe gern. Schon viele Jahre habe ich eine gewisse Haltung gefunden: Ich wache am Morgen auf und denke: „Boh,ich bin ja immer noch da!“
Sultan und Kotzbrocken
Ich war neulich in meiner eigenen Grundschule in Grebenstein zu Besuch, habe dort zwei dritten Klassen "Sultan und Kotzbrocken" vorgelesen. Die haben mir nun geschrieben.
Cora: "Ihr Buch war an manchen Stellen lustig, mutig, spannend und eklig."
Milena: "Und sie sehen auch sehr schön aus, sie sind sehr witzig."
Tim: "Es war cool, als Kotzbrocken den Sultan von der Seilwinde fallen ließ."
Paula bringt es auf den Punkt: "Ich fand es so toll das du zu uns gekommen bist! Nämlich dann hatten wir eine Schulstunde weniger! Vielen Dank."
Die vierte Klasse von Barbara Mendoza der KGS Gutnickstraße in Köln-Roggendorf/Thenhoven haben in ihrer Schreibwerkstatt von einer Lesung geschrieben, die ich dort machen durfte. Danke an Fabian, Axel und alle anderen! Hier ihre Berichte:
Besuch von Frau Schreiber
Frau Schreiber besuchte die Schule. Sie schreibt Bücher, ihr Name passt schon ganz gut zu ihr. Sie hat gefragt, wer was Besonderes kann. Da habe ich mich gemeldet und meinen Finger umgebogen, danach haben alle gestaunt. Sie hat nach Namen gefragt, z.B. Marco Becker, ob er Bäcker werden will. Er will nicht. Frau Schreiber hat das Buch „Sultan und Kotzbrocken“ geschrieben. Sie hat in der Turnhalle vorgelesen. Alle haben bei einem Lied gelacht. Der Sultan hat sich das erste Mal alleine gewaschen und dabei gesungen, aber sehr schlimm und sehr schrill. Kotzbrocken ist ein Diener des Sultans und bedient den Kran des Sultans. Einmal hat der Sultan mit Kotzbrocken geduscht und der Sultan musste den Kran bedienen, und zwar ganz oft, denn Kotzbrocken will immer nach oben und nach unten. Frau Schreiber musste dann leider schon gehen. Mir hat es sehr gut gefallen, weil es lustig war.
Axel
Eine Schriftstellerin in unserer Schule
Einmal hatte Frau Mendoza eine Überraschung: Eine Schriftstellerin kam zu uns in die Schule. Sie hieß Frau Schreiber. Als die Klassen in der Turnhalle versammelt waren, hat sie das Buch „Sultan und Kotzbrocken“ vorgelesen. Frau Schreiber heißt übrigens mit Vornamen Claudia und hat auch andere Bücher geschrieben. Dann hat sie den Stefan aus der 4a gefragt: „Wie heißt du?“, allerdings auf Russisch. Er hat geantwortet: „Stefan!“. Dann hat sie den Tuncay aus unserer Klasse gefragt, nur dieses Mal in der Zigeunersprache und er hat geantwortet: „Tuncay!“
Noch mal zurück zu dem Buch. In der Bücherei habe ich ein paar andere Bücher von ihr gesehen, darunter zweimal das Buch „Sultan und Kotzbrocken“. Zweimal, weil das Buch so beliebt war, dass es immer ausgeliehen wurde. Ich selber hatte es auch schon mal. Meine Beurteilung heißt: Eins plus mit Sternchen dran. Frau Schreiber haben viele gemocht, denn sie hat sehr witzige Bücher geschrieben und keiner wird sie so schnell vergessen, ich auch nicht.
Klappentext: Der Sultan tut rein gar nichts, außer heiraten. Er sitzt auf seinem Kissenberg und lässt sich von seinen ungefähr hundert Frauen bedienen. "Von vorne bis hinten, nix los hier. Macht das Spaß?", fragt ihn sein neuer Diener. Der Sultan zuckt bloß mit den Schultern. Er ist so ahnungslos, wie sein neuer Diener tollpatschig ist: Immer wieder lässt der ihn von der Kissenberg-Seilwinde - peng! - auf seinen Sultanspopo fallen. "Du Kotzbrocken!", schimpft da der Sultan und freut sich doch heimlich, dass endlich mal was los ist. Mit einem Diener wie Kotzbrocken könnte das faule Sultanleben ziemlich aufregend werden.
Zehn Geschichten zum Vorlesen und lesen für 6-10 jährige Kinder, illustriert von Sybille Hein, erschienen im Hanser Verlag München - € 13,90
Leseprobe aus "Sultan und Kotzbrocken"